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Die Theelacht zu Norden

 

 

Älteste bäuerliche Gemeinschaft Europas auf genossenschaftsähnlicher Grundlage

Ein Abriss nach Unterlagen der Theelacht zusammengestellt von Rudolf Folkerts Theelachter und Syndikus

Im äußersten Nordwesten Deutschlands liegt Ostfriesland, das Küstenland an der Nordsee, das mit seinen vielen Insel- und Küstenbädern weithin als sommerliches Ferienparadies bekannt ist. In der nordwestlichsten Stadt Ostfrieslands, in Norden, gibt es eine Gemeinschaft, die schon seit weit über 1000 Jahren besteht und als älteste ihrer Art in ganz Europa gilt: Die Theelacht zu Norden.

Genauer Ursprung und echtes Alter der Theelacht sind im Dunkel der Geschichte verborgen. Nach der in den Familien der Theelbauern von Generation zu Generation weitergegebenen Überlieferung hängt die Entstehung der Theelacht mit der ,,Normannenschlacht" zusammen, die im Herbst 884 in der Nähe von Norden stattfand.
Dabei erlitten die Eindringlinge aus Skandinavien, Normannen genannt, eine schwere Niederlage, die praktisch die Befreiung Frieslands von einer als sehr streng und grausam geschilderten Herrschaft brachte. Zum immerwährenden Gedächtnis an dieses bedeutsame Ereignis wurde den Norder Kämpfern ein großes Gebiet in gemeinschaftliche Dauernutzung übergeben: Die Hilgenrieder Bucht, in deren Bereich die Schlacht geschlagen worden sein soll. Sie war damals noch nicht eingedeicht und wurde häufig überschwemmt, insbesondere bei Sturm- und Springfluten. Noch heute ist sie deutlich an ihrer tieferen Lage im Gelände zu erkennen.

Diese Darstellung wird auch im Theelrecht bekräftigt, das zunächst nur mündlich überliefert war, 1585 aber im Rahmen eines Prozesses von Dr. Hektor Friedrich von Wicht erstmals niedergeschrieben und später von Dr. Caspar Wenckebach, der 40 Jahre lang Advocat der Theelacht war, mit vielen Anmerkungen versehen wurde, die sich auch auf historische Daten beziehen. 1759 wurde es dann erstmals in Halle gedruckt, eine zweite unveränderte Ausgabe kam 1867 in Norden heraus. Von beiden Ausgaben gibt es nur noch wenige Exemplare.

 

 

Die Sage berichtet, dass während der Normannenschlacht der Erzbischof Rembertus von Bremen auf einem Stein kniend den Sieg des friesischen Bauernheeres erfleht habe. Als göttliches Zeichen der Erhöhung seien in diesem Stein Vertiefungen eingedrückt worden, da, wo seine Knie waren. In heutigen Tagen noch zeigt man einen ,,Warzenstein" auf dem Alten Friedhof zu Norden, in dessen Vertiefungen sich Regenwasser sammelt, das gegen Warzen heilkräftig sein soll. Der ,,echte" ist es allerdings nicht mehr, dieser-blaue-,,Rembertstein" soll zehn bis zwanzig  Meter südlich der ,,Süderpoort" der Ludgerikirche vergraben worden sein.

Die in Theelacht und Theelrecht überlieferte Darstellung wird natürlich auch angezweifelt: Man möchte die Theelacht eher als einen sehr alten Deichverband verstanden wissen, also eine Gemeinschaft, die ein bestimmtes Gelände durch Deichbauten gegen die See sicherte und auch weiteres Gelände hinzu gewann. Man wird schwerlich mit letzter Sicherheit ermitteln können, ob diese oder jene oder noch eine andere Ursache die Theelacht entstehen ließ; auch eine Verquickung der Darstellungen ist nicht undenkbar, wird doch der Deichbau etwa um 1000 angesetzt. Fest steht auf jeden Fall, dass die Theelacht seit über 1000 Jahren Einkünfte aus dem genannten Gebiet bezieht, das noch um 1800 eine Gesamtgröße von rd. 1200 Hektar hatte, ursprünglich aber viel größer war, denn an Kirche, Klöster und Landesherren waren mehrere hundert Hektar Landes verschenkt worden.

 

Der Landbesitz der Theelacht wurde schon sehr frühzeitig verpachtet, denn die Gemeinschaft als solche konnte ihn kaum bewirtschaften. Schlechte  Zeiten hatten zur Folge, dass es zeitweilig nicht möglich war, neue Pächter zu finden, so dass eine Weiterverpachtung an die bisherigen Pächter gegen geringeres Entgelt erfolgen musste. Daraus entwickelte sich eine Vererbpachtung in einzelnen Familien, so dass schließlich die Theelacht nur noch nominell Eigentümer des Landes war, die tatsächlichen Besitzer dagegen eine Erbpacht an die Theelacht zu entrichten hatten. Schon 1611 im ,,Osterhuser Akkord" wurde festgelegt, dass die Theelacht in den Familien weiterverpachtet werden mussten, die sie damals bewirtschafteten;  eine anderweitige Verpachtung wurde ausgeschlossen. Als dann nach 1840 die Möglichkeit geschaffen wurde, Dauerlasten abzulösen, machten viele Erbpächter davon Gebrauch. Geldentwertung, Inflation, Währungsumstellung usw. taten ein üb! reges. Heute steht das jährliche Einkommen der Theelacht in keinem Verhältnis zu dem Wert der nach wie vor abgabepflichtigen Ländereien, die immerhin noch rund 450 Hektar umfassen, aber im Grundbuch nicht mehr als Eigentum der Theelacht eingetragen sind.

Die Theelacht ist eine Geschlechtergemeinschaft von Bauern, die anteilig am Ganzen beteiligt sind; sie ist zugleich also eine Anteilsgemeinschaft. Der Name ,,Theelacht" deutet auch hierauf hin: ,,Theel" ist der ,,Teil". ,,Acht" die Gemeinschaft. Es wird gelegentlich auch ,,Theel" oder ,,Theen" in anderer Bedeutung genannt, nämlich als ,,bebaubares Land", doch kommt dies mehr im Binnenlande vor, weniger an der Küste, an der die Theellande liegen, die zudem nur zum Teil als Ackerland, meist dagegen als Weideland genutzt werden. Die Bezeichnung ,,Acht" als Gemeinschaft, Verband, Genossenschaft kommt hierzulande  in der Verbindung ,,Deichacht" oder ,,Sielacht" vor: Es sind das Verbände, die Deiche oder Entwässerungsanlagen mit Deichdurchlässen (,,Sielen") zu bauen und zu unterhalten haben.

 

 

Der Bereich der Theelacht ist in acht Bezirke eingeteilt, von denen je zwei von einem ,,Theelachter" verwaltet werden: Ekeler und Linteler, Neugroder und Gaster, Trimser und Hofer sowie Osthover und Eber Theel. Jeder Bezirk hat sein eigenes ,,Buch", in dem die Namen der Anteilsberechtigten verzeichnet sind und in dem jeweils für einen Zeitraum von vier Jahren die Auszahlung vermerkt wird.

Sie als ,,Erbbauern" (Arvburen) in den Büchern vermerkten Angehörigen der Theelacht können ihre Geschlechterfolge in direkter Blutlinie als bis zum Ursprung der Theelacht nachgewiesen annehmen. Nur sie sind auch stimmberechtigt. Ihr Erbanteil (Arvtheel) vererbt sich nach eigenen im Theelrecht genau festgelegten Gesetzen. So können grundsätzlich nur eheliche Kinder erben, Söhne haben unbedingten Vorzug vor Töchtern, und das Jüngstenrecht ist besonders herausgestellt. Wir finden im Theelrecht einen Rest alten friesischen Agrarrechts.

Nach dem Tode des Erbbauern geht sein Anteil ohne weiteres auf seinen jüngsten Sohn über; die anderen Söhne können aber ebenfalls Erbansprüche anmelden, sobald sie einen eigenen Hausstand haben, der vom väterlichen (den der Jüngste ja erbte) völlig unabhängig sein muss. Die Zeremonie ist genau im Theelrecht vorgeschrieben und dort als ,,Antasten" bezeichnet. Der Anteil eines Theelbauern kann also in der nächsten Generation vervielfältigt sein. Wenn der Erbbauer keine Söhne hinterlässt, so geht sein Anteil auf etwa vorhandene Töchter nur insgesamt über: Bei drei Töchtern z.B. erbte jede nur ein Drittel Anteil. Die Töchter können aber Ihre Ansprüche nicht selbst geltend machen, sondern nur über ihre Ehemänner, die als ,,Pelsbauern" (von pelsen= veredeln, aufpfropfen) rechtlich den Erbbauern gleichgestellt sind. Nach dem Tode der Mutter können ihre Söhne wieder einen vollen Anteil erhalten, sie müssen dann ,,auf Großvaters Namen" antasten. Verstirbt ein Erbbauer kinderlos, so verfällt sein Anteil zugunsten der Gemeinschaft.< /STRONG>

Zunächst hatte jeder Erbbauer nur einen Anteil in einem der acht Bezirke. Durch Heirat mit der erbberechtigten Tochter eines Erbbauern aus einem anderen Bezirk konnte sich dann in der nächsten Generation die Erbberechtigung in zwei Bezirken ergeben. Das Theelrecht legt nun fest, dass jeder Erbbauer in jedem Bezirk höchstens einen Erbanteil haben kann: Eine Heirat zwischen einem Erbbauern und der erbberechtigten Tochter eines anderen Erbbauern aus dem gleichen Bezirk bringt also keine Verdopplung des Anteils. Es gibt nur eine Familie, die in allen acht Bezirken erbberechtigt ist, und drei Familien, die Erbanteile in sieben Bezirken haben; die meisten Familien haben nur in ein oder zwei, wenige noch in drei oder vier Bezirken Erbanteile.

Neben den Erbanteilen gibt es noch die Kaufanteile (Kooptheelen). Sie stammen hauptsächlich wohl aus Zeiten wirtschaftlichen Niedergangs, wenn Erbbauern aus Not gezwungen waren, ihre Anteile zu verpfänden, und sie dann nicht wieder einlösen konnten. Eines wurde als geradezu ehrenrührig gewertet: Einen Erbanteil zu verkaufen. Ein Erbbauer, der seinen Erbanteil verkaufte, verwechselte oder auf andere Weise abgab, war als ,,Landaffe" (weil er seinen ideellen Anteil am Landbesitz abgegeben hatte, also ,,vom Land ab" war) gering im Ansehen. Er wurde früher zu keinem Zeugnis mehr zugelassen, ging also sozusagen der bürgerlichen Ehrenrechte verlustig. Der Erbanteil verlor gleichzeitig diese Eigenschaft: Künftig war es nur noch ein Kaufanteil, dessen Inhaber in Theelachtssachen nicht stimmberechtigt ist. Kaufanteile vererben sich nach gewöhnlichem (bürgerlichem) Recht, sie können beliebig geteilt werden, z.B. bei der Erbauseinandersetzung. Sollen sie weiterverkauft werden, so muss die Theelacht zustimmen, die auch ein Vorkaufsrecht hat.

Im Ertragswert sind Erb- und Kaufanteile gleich, beide sind stets ideelle Anteile. Arf- und Koopburen erhalten also bei der Verteilung des Ertrages gleich hohe Beträge.

Die ,,Theelachter", die-wie oben gesagt-je zwei Bezirke verwalten, werden auf Lebenszeit von den Erbbauern gewählt, deren Bezirk sie vertreten müssen. Sie heben die Pacht, haben alle Unkosten davon zu bestreiten und zahlen zweimal im Jahre an die Berechtigten die Anteile am Ertrag aus. Das geschieht jeweils zwei Wochen vor Weihnachten und zwei Wochen vor Ostern; daher werden je vier Bezirke auch ,,Harfsttheelen" bzw. ,,Vörjahrstheelen" bezeichnet. Ein Theelachter, der sein Amt nicht  ordnungsgemäß ausübt oder gar zum Schaden der Theelacht wirkt, kann abgesetzt werden. Auch das ist früher mehrfach vorgekommen. Noch um 1800 wurde verlangt, dass der Theelachter eine Sicherheit stellt, die immerhin 300 Goldgulden betrug. Damals wurden rund 2850 Goldgulden eingenommen, wovon rund 2500 Goldgulden ausgezahlt wurden, für die damalige Zeit sehr viel Geld.

Die Theelachter sind das oberste Organ der Theelacht, sie vertreten die Theelacht nach außen und haben den Erbbauern alle vier Jahre Rechenschaft über ihre Tätigkeit abzulegen. Das geschieht stehts zum 24. Juni (Johanni Baptist) eines Schaltjahres. Das Rechnungsjahr der Theelacht beginnt ebenfalls am 24.Juni. Die Theelachter können einen Syndikus bestellen, der für sie die Geschäfte führt. In letzter Zeit ist stets ein Theelachter zugleich zum Syndikus bestellt worden.

Ein weiteres Organ, der Theelachts- Ausschuss, dem vier Erbbauern angehören, hat lediglich bei der Anlage von Vermögen mitzuwirken. Er besteht erst seit reichlich 100 Jahren und hat praktisch keine besondere Funktion, zumal das Barvermögen, das z.T. in Hypotheken, z.T. in mündelsicheren Sparkonten angelegt war, inzwischen verloren gegangen ist: Von rund 30000,-Goldmark vor dem ersten Weltkrieg bleiben nach der Inflation noch runde 80,-Reichsmark übrig, und davon bleib später kaum noch etwas...

Der Theelbote (Theelbaat) hat die Botengänge für die Theelachter zu erledigen und bei den Ausgaben und Zusammenkünften der  Theelacht für Ordnung zu sorgen. Einstmals holte er auch die Pachtgelder bei den Pächtern ab, wobei er-zusammen mit dem Vogt-sogar ein Exekutionsrecht hatte.

Die Theelkammer im Alten Rathaus zu Norden ist seit Jahrhunderten der Versammlungsraum der Theelacht, die das alleinige Nutzungsrecht hat, während die Stadt Norden als Eigentümerin des Gebäudes für die Instandhaltung sorgen muss. Hier finden die regelmäßigen Ausgaben statt, hier werden die Abrechnungsverhandlungen durchgeführt, hier kommen Theelachter und Erbbauern zusammen, wenn es aus besonderem Anlass erforderlich wird, hier werden auch die Unterlagen der Theelacht aufbewahrt. Leider reichen die Theelbücher nur bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts zurück, und es fehlen auch einige Bände. In den Jahren 1970 bis 1972 konnten sie instand gesetzt werden. Die ältesten Bücher, von denen keine Zweitschriften vorhanden sind, liegen jetzt in einem Tresor im Keller des Alten Rathauses, wo sie hoffentlich vor Feuer und Diebstahl ebenso sicher sind wie vor dem Zahn der zeit, der sie leider zum Teil stark angegriffen hatte. Früher waren sie nämlich entweder bei den Theelachtern oder in einem Holzschrank in der nur durch ein offenes Herdfeuer gelegentlich erwärmten Theelkammer aufbewahrt, und manche Schrift ist vermodert. Das hat schon 1805 der Schullehrer Jakob Hicken festgestellt, der damals ein genaues Lagerbuch einrichtete, in dem sämtliche Theellande nach Größe, Pächter, Belastung und Bezirken verzeichnet sind, heute ein sehr wertvolles Dokument, das recht gut erhalten ist.

Streng sind die aus alter Zeit überkommenen Gebräuche bei der Auszahlung der Anteilsbeträge und bei der Aufnahme neuer Erbbauern. In unserer Zeit wird im ,,Ostfriesischen Kurier" mit einer Anzeige, deren plattdeutscher Text seit Jahrhunderten überliefert ist, auf die Auszahlung hingewiesen. Früher  geschah das durch ,,Abkündigung" von den Kanzeln der Ludgerikirche zu Norden und der Ansgarikirche in Hage, und zwar immer an den beiden vor dem Auszahlungstermin liegenden Sonntagen. Wurde einst für jeden Bezirk ein besonderer Zahltag (Montag bis Donnerstag) angesetzt, so musste das seit einigen Jahrzehnten geändert werden: Jetzt wird mittwochs und freitags ausgezahlt, dann aber für zwei Bezirke. Wegen des sehr unterschiedlichen Aufkommens an Theelheuern und der hohen Umkosten wird auch einmal ausgesetzt.

Theelachter und Theelbote sind stets pünktlich zu Beginn der Auszahlung in der Theelkammer anwesend, ebenso ein ,,Stadtdiener", ein Polizeibeamter. An dem langen Tisch an der Frontseite der Theelkammer anwesend, ebenso ein ,,Stadtdiener", ein Polizeibeamter. An dem langen Tisch an der Frontseite der Theelkammer hat der Theelachter mit seinem Buch seinen Platz; hinter ihm befindet sich die große Tafel, auf der die Namen der seit 1600 tätig gewesenen Theelachter verzeichnet sind. An diesem Tisch nehmen auch die Erbbauern Platz, die ihre Anteile in Empfang nehmen wollen. In der Mitte der Südseite flackert das Herdfeuer, und an der Westseite sind die Tische aufgestellt, an denen die Kaufbauern Platz nehmen. Unmittelbar neben der Eingangstür steht ein Tisch, auf dem der Klopfer bereitliegt, mit dem der Theelbote sich Gehör verschafft, wenn er etwas anzusagen hat. Seitlich ist in der Mauer eine Nische eingelassen, in der die Theelbauern ihre Handstöcke abzustellen haben; ein Brauch aus jener Zeit, als man noch zu Fuß von weither kam. Auf einem besonderen Gestell liegt das Fass Theelbier, aus dem die mundige Flüssigkeit in Zinnkrüge eingelassen wird, die dann am offenen Herdfeuer leicht angewärmt werden. Das Bier kam in alter Zeit aus Hamburg; später wurde es in Norden gebraut. Getrunken wird aus Holzbechern. Zum Bier wird die Tonpfeife geraucht, gefüllt mit schwerem Tabak, der übrigens gut 200 Jahre lang bis zum Fortzug der Firma-von der Norder Tabakfabrik Steinbömer & Lubinus bezogen wurde, deren Mitbegründer Lubinus von 1793 bis 1795 Theelachter war. Licht geben in der Theelkammer nur Petroleumlampen und Kerzen; die Zeit ist hier angehalten worden.

Sobald der erste Erbbauer die Theelkammer betreten hat, klopft der Theelbote auf und verkündet dann auf altüberlieferte Weise in plattdeutscher Sprache, für welche Bezirke die Theelgelder ausgezahlt werden, und dass jeder, der hier nichts zu empfangen habe, die Theelkammer verlassen müsse oder sonst vom Stadtdiener hinausgewiesen werde; wer aber Geld zu empfangen habe, der müsse zur Tafel (zum Theelachter) kommen.

Entsprechend dem unbedingten Vorzug der Männer im Theelrecht haben Frauen zu den Auszahlungen und sonstigen Zusammenkünften der Theelacht grundsätzlich keinen Zutritt. Zwar werden hin und wieder Ausnahmen gemacht, aber nur bis zur Teezeit (15Uhr).

Der Theelbote muss noch manches Mal aufklopfen, z.B. wenn der Theelachter etwas bekannt zu geben hat oder wenn ein Sohn eines Erbbauern antasten will. Der Theelbote verliest dann den vom Theelachter unterzeichneten Aufnahmeantrag, der übrigens bis zum 24. Juni gestellt sein muss, klopft nochmals auf und verkündet dann: ,,All' Arfburen up de Däl!" Sämtliche anwesenden Erbbauern versammeln sich daraufhin vor dem offenen Herdfeuer. Der Neuling wird vom Theelachter vorgestellt, eingehend gemustert, wobei zwei Zeugen-Erbbauern aus dem Bezirk, in den er aufgenommen werden möchte-beizubringen sind, und schließlich wird abgestimmt. Seine Aufnahme bekräftigt  der zustände Theelachter mit Handschlag. Dann muss er ,,entblößten Hauptes" (da die Theelkammer durch das Kaminfeuer nur leidlich erwärmt werden konnte, behielt man früher die Mütze auf) eine Kanne Theelbier an die Arfburen ausschenken sowie einen Becher Bier, den ihm der Theelachter gereicht hat, ,,up Theelachts Wohlfahrt" (auf das Wohlergehen der Theelacht) leeren. Damit wird den Ahnen eine Reverenz erwiesen. Es folgt das ,,Hensen". Der Neue muss dreimal einen Becher, an dessen Fuß sich ein Würfel befindet, schütteln und auf den Tisch stellen. Soviel Augen er dann insgesamt gewürfelt hat, soviel Becher Theelbier soll er-ebenfalls,, up Theelachts Wohlfahrt"-Nacheinander austrinken, oder aber sich freikaufen. Das ist die Regel, denn der Würfel zeigt auf allen Seiten sechs Augen (was der Neue natürlich nicht weiß), und 18 Becher Theelbier wären doch wohl zuviel. Es ist daher schon in alten Zeiten ein Betrag festgelegt, mit dem man sich freikaufen kann; der Theelachter legte früher den gleichen Betrag dazu und führte beides an die Armenkasse ab.
Heute dient das ,,Henselgeld" zur Aufbesserung der schwachen Theelachtskasse.

Nun erst wird der Neuling als ,,Neebur" in das Theelbuch eingetragen, dazu auch die beiden Zeugen. Dann erhält er erstmals sein Theelgeld, allerdings nur zur Hälfte(,,Half Geld"). Vom nächsten Jahre an ist er aber voll dabei.

Die Ausgaben enden um 18 Uhr. Vorher, um 17 Uhr, 17.30 Uhr und kurz vor 18 Uhr, macht der Theelbote dreimal auf das Ende aufmerksam: ,,De Bül is to, of he sall to dahn worrn" (der Beutel ist zu oder er soll zugemacht werden). Punkt 18 Uhr heißt es lapidarisch: ,,De Bül ist to".

Der Ausgabe folgt stets noch eine Art gemütlicher Teil, bei dem nach alter Sitte allerlei Begebenheiten meist mehr humorvoller Art erzählt werden. So wird die Vergangenheit lebendig gehalten und die Verbindung zwischen Einst und Jetzt gepflegt, die heute mehr denn je nötig ist.

In unserer Zeit ist die Theelacht keine Gemeinschaft mehr, die als reich im geldlichen Sinne bezeichnet werden kann. Sie ist aber reich aus anderer Sicht, insbesondere als Kulturträger. Ihre Theelbücher enthalten die Genealogie der Erbbauern, ein Blick in das Schriftgut ist ein Blick in die Geschichte. Die Theelbauern halten an Theelacht und Theelrecht fest. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, die Aufrechterhaltung überkommener Sitten und Gebräuche, die Pflege echter Tradition sind so stark, dass der Bestand der über 1100 Jahre alten Theelacht auch weiterhin gesichert erscheint. Viele Angriffe konnten im Laufe der Jahrhunderte abgewehrt werden. Was aber so lange Bestand hatte, muss einen guten Kern haben und wird sich auch künftig behaupten können.

Die Stadt Norden, der ehemalige Landkreis Norden, das Land Niedersachsen und manche private Stellen haben in den letzten Jahren zur Erhaltung, Instandsetzung und Ergänzung des Schriftgutes der Theelacht sowie des Inventars der Theelkammer beigetragen. Das darf am Schluss dieses kurzen Abrisses mit besonderem Dank vermerkt werden

 

 

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